Im Jahr 1996 wurde bei den Rettungsgrabungen in der Ottonenstraße eine Goldmünze mit dem Portrait Karls des Großen gefunden. Sie wiegt 4,18 g, ihr Durchmesser beträgt 19,5 mm. Das spezifische Gewicht der Goldmünze lässt dabei auf einen Goldgehalt von ca. 91 % schließen. Insgesamt befindet sich die Goldmünze in einem ausgezeichneten Zustand, lediglich über die Vorderseite geht ein Kratzer. Der karolingische Solidus zeigt auf der Rückseite ein Stadttor mit der Umschrift Arelato, die Arles (F) als den Prägeort ausweist. Das Herscherporträt der Vorderseite ist durch Lorbeerkranz und Kaisermantel ausgezeichnet; die Identität des Dargestellten wird in der (hier ergänzten) Titulatur aufgelöst: D(ominus) N(oster) KARLUS IMP(erator) AUG(ustus) REX F(rancorum) ET L(angobardorum).
Münzen mit dem Bild Karls sind sehr selten. Die besondere Bedeutung des Ingelheimer Fundes liegt darin, dass Münzportraits des Kaisers bislang nur auf Silbermünzen bekannt waren. Ob die Münze als Zahlungsmittel diente, oder aber nur die Funktion einer Medaille hatte, ist unsicher.
Die Art der Darstellung lässt aber zweifelsfrei eine Wirkungsabsicht erkennen: Das in Gold geprägte Brustbild mit Herrschertitulatur und -insignien ließ Karl den Großen nach antikem Vorbild wie einen römischen Kaiser erscheinen. Der erste westliche Kaiser des Mittelalters verwandte nun dieselben Herrschaftszeichen wie schon vor ihm die oströmischen Kaiser in Byzanz auf den sogenannten Solidi.
Die Goldmünze Karls des Großen ist das bisher wichtigste Fundstück, das bei den Ausgrabungen der Kaiserpfalz Ingelheim gefunden wurde. Sie war nach ihrer Entdeckung mehrere Jahre auf Ausstellungstournee durch Deutschland und Europa. Am Tag des offenen Denkmals 2005 kehrte sie an ihren Fundort zurück und wird nun als Dauerleihgabe des Landes Rheinland-Pfalz in der Kaiserpfalz Ingelheim ausgestellt. Dabei ist dem Solidus ein eigener Ausstellungsbereich im Museum bei der Kaiserpfalz gewidmet, in dem die besondere Bedeutung der Goldmünze deutlich gemacht wird.
Als Karl der Große im Jahr 800 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, veränderte dies eine Welt. Das weströmische Reich, 476 untergegangen, wurde erneuert und nun gab es, vergleichbar dem oströmischen Byzanz mit einem Basileus an der Spitze, wieder einen Kaiser auf europäischem Boden.
Für das Programm dieser Erneuerung wurde der Begriff „Renovatio imperii“ geprägt, ein politisches Schlagwort, das in allen Reichsteilen verbreitet wurde. Heute wissen wir, dass auch Münzen aus Silber zur Verbreitung dieser Botschaft verwendet wurden. Hierzu waren die Geldstücke hervorragend geeignet, denn sie gingen von Hand zu Hand und fanden ihren Weg an (fast) jeden Ort. Solche Silbermünzen waren die Leitwährung des Mittelalters. Es war Karl der Große, der hierzu mit der Geldreform von 794 den Grundstein legte und mit dem neuen Reichsdenar ein monometallisches Währungssystem von Silbermünzen schuf, das in den Grundzügen bis an die Schwelle zur Neuzeit fortbestand.
Jahr 1996: Bei Ausgrabungen im Bereich der Kaiserpfalz Ingelheim wird die einzige bislang bekannte Goldmünze mit dem Bildnis Karls des Großen gefunden. Die Entdeckung sorgt sofort für Aufsehen und sie wirft Fragen auf: posthume Prägung? Fälschung? Die Fach-Diskussion zeigt, dass der Grabungsfund die Kenntnis vom Geldwesen der Karolingerzeit maßgeblich erweitert und scheinbar gesicherte Ergebnisse verwirft.
Zeigt der Fund, dass Karl der Große mit der eigenen Geldreform brach, um von dem tradierten Exklusivrecht der Kaiser Gebrauch zu machen, Goldmünzen zu prägen? Vieles spricht dafür. Diese Solidi genannten Goldmünzen waren somit Herrschaftszeichen, und sie dienten zur Verbreitung einer Botschaft: Karl der Große ist Kaiser, das weströmische Reich ist neu erstanden.