Stadt Ingelheim gewinnt mit dem Saalgebiet den europaweiten Wettbewerb
„Die unverwechselbare Stadt: Identität, Heimat, Marke“
Die Stadt Ingelheim hat bei dem europaweiten Wettbewerb „Die unverwechselbare Stadt: Identität, Heimat, Marke“ den ersten Preis gewonnen. Ausgelobt wurde der Wettbewerb von der Stiftung „Lebendige Stadt“, die jedes Jahr in einer anderen Kategorie mit ihrem Stiftungspreis Projekte in Städten prämiert, die in besonderer Weise „Best-Practice-Charakter“ haben und sich andernorts zur Nachahmung empfehlen. Für die diesjährige Auszeichnung der „unverwechselbaren Stadt“ wurden preiswürdige Konzepte gesucht, die Städten oder Stadtteilen eine unverwechselbare Identität verleihen, ein hohes Maß an Identifikation und Heimatgefühl stiften, oder sie sogar zur Marke machen. Die Stadt Ingelheim – Forschungsstelle Kaiserpfalz Ingelheim bewarb sich mit dem erfolgreich umgesetzten Projekt „Denkmaltouristische Erschließung und Stadtteilsanierung Saalgebiet Nieder-Ingelheim“, und wurde zusammen mit einer weiteren Gemeinde mit dem ersten Preis ausgezeichnet.
Die feierliche Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Stiftungspreises fand am Mittwochabend (9.11.2011) im Dortmunder Signal Iduna Park vor rund 600 Gästen statt. Aufgrund ihrer überzeugenden Konzepte entschied sich die unabhängige Fachjury, zwei Sieger zu küren. Neben Ingelheim wurde die Gemeinde Hiddenhausen (Nordrhein-Westfalen) mit einem ersten Preis bedacht. Die ursprüngliche Preissumme von 15.000 Euro wurde auf 20.000 Euro aufgestockt, die sich die Gewinner teilen. Anerkennungen gingen nach Calau (Brandenburg), Leipzig, Leutkirch im Allgäu (Baden-Württemberg) und ins polnische Posen. 218 Städte und Gemeinden aus dem In- und Ausland hatten sich beworben. Die Deutsche Bahn AG ist Förderer des Stiftungspreises.
Sieger des Stiftungspreises 2011: Ingelheim am Rhein (Rheinland-Pfalz)
Das Projekt „Denkmaltouristische Erschließung und Stadtteilsanierung Saalgebiet Nieder-Ingelheim“ hatte und hat das Ziel, das Saalgebiet mit seinen archäologischen Schätzen aus der Zeit Karls des Großen zu erforschen, diese der Öffentlichkeit erstmals zugänglich zu machen, sowie die Wohn- und Aufenthaltsqualität für die Bewohner und Besucher der Denkmalzone zu verbessern.
Nachdem das Saalgebiet im 8. Jahrhundert als Palastanlage Karls des Großen gegründet worden war, erlebte der Ort bis ins Spätmittelalter glanzvolle Zeiten als Schauplatz für königliche Hochzeiten, Festtagskrönungen und Reichssynoden. Nachdem das Gebiet 1402 jedoch zur Besiedelung freigegeben worden war, führten Raubbau, Verfall und Überbauung zum Verschwinden der historischen Überreste. Diese werden zwar seit rund 100 Jahren archäologisch erforscht, wurden jedoch nie für Besucher sichtbar gemacht. Zudem zeigte sich die Wohnbebauung im Denkmalgebiet bis vor wenigen Jahren an vielen Stellen sanierungsbedürftig und wurde von den Bewohnern als unattraktiv und vernachlässigt empfunden, wie eine Studie von 1997/98 zeigte.
Seit Mitte der 1990er Jahre fokussieren denkmal-touristische Initiativen, städtebauliche Sanierungsprozesse sowie die Erforschung und museale Präsentation des europäischen Kulturerbes „Kaiserpfalz“ die bauliche, soziale und kulturelle Aufwertung des Saalgebiets. Die engagierte Umsetzung dieses Konzepts in den Jahren 2000 bis 2011/2012 steigerte nicht nur die Aufenthalts- und Lebensqualität vor Ort grundlegend, sondern stärkte die Identifikation der Bewohner mit ihrer Heimat, da ihnen durch das Konzept die eigene Vergangenheit sichtbar und erlebbar gemacht wurde. Die Einbeziehung der Bürger in das Erschließungs- und Sanierungskonzept bestand und besteht in der Bürgerbefragung und –beteiligung, in Informationsarbeit und in der Beratung bei der privaten Gebäudesanierung. Heute offenbart sich das Saalgebiet als attraktiver Stadtraum mit Altstadtflair, in dem die Anwohner das Denkmal als ihren Lebensraum definieren, in dem Besucher auf mittelalterliche Spurensuche gehen, in dem Konzerte stattfinden und wo in historischer Kulisse geheiratet werden kann.
Die Laudatio für die Preisträger aus Ingelheim hielt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen in seiner Funktion als Kuratoriumsmitglied der Stiftung: „Die Jury hat die ,Rotweinstadt′ Ingelheim am Rhein als ,unverwechselbare Stadt′ ausgezeichnet. Sie ist beispielgebend dafür, wie die Balance zwischen Denkmalpflege und Stadtsanierung gelingen kann. In Ingelheim wurde erst spät die mittelalterliche Kaiserpfalz von Karl dem Großen aus ihrem unbeachteten Dasein hervorgeholt. Bei der Stadtsanierung orientierte man sich an den historischen Gebäudeformen des Mittelalters; die einzigartige Bauform der Kaiserpfalz wurde betont und wieder sichtbar gemacht. Das Konzept trägt zur Unverwechselbarkeit des Stadtteils und von ganz Ingelheim bei. Es hebt den charakteristischen und einzigartigen Stadtteilgrundriss des Saalgebiets hervor, den es der Kaiserpfalz verdankt. Einzigartig sind die Methoden bei der Denkmalerhaltung und die didaktische Art der Wissensvermittlung. Die Bürger partizipieren an den Planungs- und Entscheidungsprozessen, die ihr Lebensumfeld beeinflussen. Heute stiftet die Kaiserpfalz nicht nur Heimatverbundenheit und schärft das Geschichtsbewusstsein bei den Bürgern. Sie ist zudem als lebendiges Museum und Forschungsstätte eine touristische Marke, die zum Aushängeschild der Stadt Ingelheim wurde. Die Sanierungsmaßnahmen haben die Wohn- und Aufenthaltsqualität gesteigert und das Quartier aufgewertet.“
Bei der Preisverleihung, die mit prominenten Gästen aus Politik, Wirtschaft und Sport hochkarätig besetzt war, erhielt die Stadt Ingelheim, vertreten durch ihren Oberbürgermeister Dr. Joachim Gerhard sowie Forschungsleiter Holger Grewe, eine Preisstele, eine Urkunde sowie ein gelbes Ortsschild, die Ingelheim künftig als „unverwechselbare Stadt“ auszeichnen.
Die Stiftungspreisjury
Vorsitz:Die Stiftung „Lebendige Stadt“
Jährlich prämiert die Stiftung „Lebendige Stadt“ in einer anderen Kategorie Projekte in Städten und Gemeinden, die in besonderer Weise „Best-Practice-Charakter“ haben und sich somit andernorts zur Nachahmung empfehlen. Dazu ruft die Stiftung zu Beginn jedes Jahres europaweit in einem Wettbewerb Städte, Gemeinden, Institutionen, Universitäten, Vereine und Private auf, sich mit ihren Projekten zu bewerben. Eine fachkundige Jury mit unabhängigen Experten bewertet die Bewerbungen und wählt den oder die Sieger aus. Die Stiftung „Lebendigen Stadt“ hat ihren Stiftungspreis in diesem Jahr zum elften Mal verliehen. In den letzten Jahren gingen Preise nach Amsterdam für das beste Parkraumkonzept (2007: Parkgarage P23), nach Nienburg an der Weser (2008: Europas schönster Wochenmarkt), Griesheim (2009: Kinderfreundliche Mobilität) und Arnsberg (2010: Seniorenfreundlichste Stadt).
In der gemeinnützigen Stiftung „Lebendige Stadt“ arbeiten seit dem Jahr 2000 Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Medien zusammen, um gemeinsam die kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit der europäischen Städte zu fördern. Die Stiftung hat seitdem ein Fördervolumen von rd. 25 Millionen Euro bewegt – beispielsweise für die künstlerische Illumination des Berliner Reichstagsgebäudes, die Grüngestaltung des Essener Krupp-Parks und die Verschönerung des Hamburger Jungfernstiegs.